Ergonomisch arbeiten im Home-Office

Ergonomisch arbeiten im Home-Office

So stattet ihr eure Home-Office-Arbeitsplätze optimal aus

Die Arbeit im Home-Office nimmt zu. Nach anfänglicher Skepsis einigen sich immer mehr Arbeitgeber mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darauf – in der Corona-Krise aktuell sowieso. Akut und rasch eingerichtete Home-Offices bieten jedoch Vor- und Nachteile. Die Physiotherapeutin und Ergonomieberaterin Susanne Weber der Firma Ergoimpuls bringt für euch jetzt die ergonomischen Gesichtspunkte dieses Trends ins Spiel.

Frau Weber, wenn jetzt ad hoc zum Infektionsschutz gegen Corona Unternehmen Home-Offices einrichten, die diesem Thema bisher eher skeptisch gegenüberstanden, welche Fehler werden häufig gemacht?

Mitarbeiter, die bisher immer im Firmenbüro gearbeitet haben, müssen sich erst einmal sortieren: Wo in meiner Wohnung richte ich mir überhaupt meinen Arbeitsplatz ein? Habe ich einen separaten Raum, einen geeigneten Tisch, einen geeigneten Stuhl? Wenn möglich sollten Mitarbeiter einen separaten Bereich für ihren Arbeitsplatz wählen – z. B. die Ecke eines Zimmers, an dem sie ihre Arbeitsmittel dauerhaft aufstellen können. Der Küchentisch ist weniger geeignet.

Wenn der Chef nicht mehr im Büro auftauchen kann und man wegen Corona ja sowieso nicht mehr vor die Tür soll, ist man ja schnell verführt, sich im Jogginganzug auf die Couch zu lümmeln. Was sagen Sie dazu?

Wenn Mitarbeiter im Sitzen arbeiten, dann am besten immer an einem Tisch. Alternativ können sie im Stehen an einer hohen Kommode arbeiten – am besten beides im Wechsel. Die Arbeit auf der Couch oder am Boden fördert eine ungünstige Körperhaltung und führt langfristig zu Fehlbeanspruchungen und Schmerzen. Da der Corona-Virus nicht nächste Woche von uns ablassen wird, sollte man sein Home-Office auf eine längerfristige Nutzung hin einrichten.

Ergonomisch arbeiten im Home-Office

Entscheidend für die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters ist also die körpergerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes – zuhause wie in der Firma. Wer von uns kann denn überhaupt einfach so von der Parkbank aus arbeiten?

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion sind natürlich am Standort gefragt, aber Kollegen in Vertrieb, IT, Controlling, Finanzbuchhaltung, Marketing, Design oder Kommunikation genießen mehr und mehr die Freiheiten des ortsunabhängigen Arbeitens. „Eigentlich ist es egal, wo ich arbeite“, sagen viele. Und manch einer mag davon träumen, sich im Sommer mit seinem Laptop an den See oder auf eine Parkbank und im Winter auf das Sofa vor dem Kamin oder in ein gemütliches Café zu setzen. Ob das der geforderten Konzentration gerecht wird, wage ich zu bezweifeln. Ganz sicher erfüllt es nicht die notwendigen Kriterien der Ergonomie, also der Wissenschaft von den Leistungsmöglichkeiten und -grenzen des arbeitenden Menschen.

Wer ist denn eigentlich für die optimale Arbeitsplatzgestaltung im Home-Office verantwortlich?

Die Gestaltung des Home-Office des einzelnen Mitarbeiters unterliegt ebenso der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wie der Arbeitsplatz im Betrieb und muss selbstverständlich die Kriterien der Arbeitssicherheit erfüllen. Wichtige Fragen bei der Einrichtung sind: Ist eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt worden? Verfügt der Arbeitsplatz über ausreichend Tageslicht und künstliches Licht? Eine Reihe von Unternehmen haben bereits Betriebsvereinbarungen über ihre Heimarbeitsplätze getroffen und entsprechende Standards entwickelt. Andere stehen noch am Anfang. Ich habe einen Test entwickelt, der eine erste ergonomische Einschätzung des Home-Office-Arbeitsplatzes ermöglicht.

Welche sind denn die wichtigsten Kriterien für einen guten Arbeitsplatz zuhause?

Gute Arbeitgeber punkten mit perfekt eingestellten Home-Office-Arbeitsplätzen. Dazu gehören

  • ein individuell einstellbarer Arbeitsstuhl
  • ein höhenverstellbarer Tisch
  • ein separater und ebenfalls individuell über einen Monitortragarm einstellbarer Bildschirm
  • eine separate Tastatur und Maus sowie
  • ideale Lichtverhältnisse.

Dabei reicht es nicht aus, dem einzelnen Mitarbeiter diese Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen – er muss auch wissen, wie er damit umgeht und worauf es ankommt.

Wie geht man z. B. mit einem Bürostuhl um? Was muss der können?

Bei der Einstellung des Bürostuhls ist die richtige Sitzhöhe wichtig. Die Kniegelenke müssen beim Sitzen senkrecht über den Fersen positioniert sein. Die Rückenlehne des Stuhls ist am besten so eingestellt, dass der am stärksten gewölbte Abschnitt auf der Gürtelhöhe liegt. Der Druck gegen die Rückenlehne fördert Balance und Bewegung beim Sitzen. Das Gewicht der Arme ist vollständig an die Armlehnen abgegeben; Ober- und Unterarm bilden einen Winkel von ca. 90 Grad. Die Tischhöhe ist nach der Höhe der Armlehnen ausgerichtet. Entscheidend hier: Die Schultern sind entspannt.

Das wichtigste Arbeitsmittel im Home-Office dürfte der Rechner sein. Worauf kommt es beim Bildschirm an?

Bei der Einstellung und Neigung des Bildschirms ist darauf zu achten: Die oberste und unterste Zeile müssen ohne Kopfbewegung erfasst werden können. Wichtig sind auch gute Lichtverhältnisse. Der Bildschirm sollte nicht vor dem Fenster stehen, sondern im rechten Winkel dazu, dass das Tageslicht nicht blendet.

Ergonomisch arbeiten im Home-Office

Vor Ort oder per Video-Telefonat kümmert sich Susanne Weber auch um die Gestaltung von Heimarbeitsplätze. Für eine erste Analyse reicht oft schon ein Foto. (Foto: ergoimpuls)

Ins Fitness-Studio kann ich nicht mehr wegen Corona, Sportvereine sind auch geschlossen – wie sorge ich für mich und meine Gesundheit im Home-Office?

Unterbrechen Sie lange Sitzphasen und stehen Sie zum Telefonieren oder bei Videokonferenzen auf. Positionswechsel und aktive Pausen sind effektive Maßnahmen, um Schmerzen und Unwohlsein im unteren Rücken zu verringern. Ich empfehle, nicht länger als zwei Stunden am Stück im Sitzen zu verbringen und jede Stunde für fünf bis zehn Minuten aufzustehen und zu gehen. Das gilt natürlich auch für das Arbeiten im Firmenbüro. Gerne schicke ich Interessierten auch ein Fünf-Minuten-Work-Out per Video. Nur wenige Minuten täglich genügen, um sowohl gezielt die Bandscheiben, den Muskelapparat und die Faszien zu aktivieren und dadurch präventiv einer Vielzahl von Beschwerden vorzubeugen, als auch mental ein hohes Maß an Ausgeglichenheit zu sorgen.

Herzlichen Dank, Frau Weber, für das Gespräch!

Ihr wollt euer Home-Office ergonomisch einrichten? Unser Novus Mehrplatzsystem hilft euch dabei!

Hilfreich – Der Home-Office-Test

Testet euer Home-Office mit Hilfe dieser Fragen: Zwölf bis vierzehn Mal „ja“ bedeutet, der Arbeitsplatz ist völlig in Ordnung. Fünf bis elf Mal „ja“ birgt Verbesserungspotenzial und bei zwei bis vier Mal: Euer Arbeitsplatz sollte auf jeden Fall optimiert werden.

Arbeitsort:

Ich arbeite immer im separaten Arbeitszimmer ja / nein
Ich arbeite immer an einem eigenen Arbeitsplatz in der Wohnung ja / nein

Arbeitsweise:

Ich sitze wenig beim Arbeiten ja / nein
Ich stehe oft beim Arbeiten ja / nein

Bürostuhl:

Ich habe einen eigenen Bürostuhl ja / nein
Ich kann die Sitzhöhe verstellen ja / nein
Ich kann die Rückenlehne verstellen ja / nein
Ich stelle den Stuhl auf meine Bedürfnisse ja / nein
Ich nutze die Bewegung / Dynamik der Rückenlehne ja / nein

Arbeitsfläche:

Ich habe einen eigenen Arbeits-Schreibtisch ja / nein
Ich habe eine ausreichend große Arbeitsfläche ja / nein
Ich kann die Höhe meiner Arbeitsfläche verstellen ja / nein

Computer:

Ich arbeite am Laptop mit separater Tastatur und Bildschirm ja / nein
Ich arbeite mit einer separaten Maus ja / nein

So steht es im Gesetz

Rechtliche Regelungen „Telearbeit“
Für den normalen Bildschirmarbeitsplatz und auch für den Telearbeitsplatz (Arbeiten im Home-Office) gelten Anforderungen aus dem Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Nach § 2 Absatz 7 ArbstättV (Arbeitsstättenverordnung) sind Telearbeitsplätze vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Zudem müssen die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt werden und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen muss durch den Arbeitgeber oder durch eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert sein. (Quelle: 27. Dresdner Arbeitsschutz-Kolloquium, 6.11.2018: Arbeitsstätten – neue Regelungen und Praxisumsetzung; Dr. Kersten Bux: Anforderungen an Telearbeitsplätze und mobile Arbeit)

Rechtliche Regelungen „mobiles Arbeiten“
Beim mobilen Arbeiten erledigen die Mitarbeitenden ihre Arbeit an beliebigen Orten, wie beispielsweise bei Kunden, auf Dienstreisen, im Hotel oder in der Bahn und benötigen dadurch keinen festen Arbeitsplatz im Unternehmen. „Mobiles Arbeiten“ unterliegt nicht der ArbStättV.

Übrigens: Nicht nur Ergonomie, auch der Datenschutz gemäß DSGVO ist im Home-Office wichtig!